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  Eine Kirchenmusikerin, die Schach zum Frühstück spielt
14.03.2014 von Klaus Steffan

Hobby-Schachspielerin und Sängerin Helena Schwaab hat als Erste für das Erfurter Frauenschachfestival gemeldet. Helena Schwaab musste gar nicht erst überlegen. Als die Ohrdruferin in unserer Zeitung vom geplanten Erfurter Frauenschachfestival gelesen hatte, stand ihr Entschluss sofort fest: "Wow, das ist etwas für dich."



Helena Schwaab aus Ohrdruf ist ein Multitalent: Sie singt, betreibt Gedächtnistraining, spielt Klavier und Orgel - und täglich auch Schach. Im Sommer will sie an den offenen Deutschen Meisterschaften in Erfurt teilnehmen. Foto: Lutz Ebhardt

Sie schrieb eine Mail und meldet sich für die Offenen Deutschen Meisterschaften an. Sie - die Hobby-Schachspielerin, die keine Ranglistenzahl besitzt und in keinem Verein spielt. Egal. "Für mich zählt das Spiel mehr als die Perfektion", sagt sie und lächelt, "der Weg ist das Ziel."
Im täglichen Training steht sie ohnehin. Jeden Morgen spielt die 42-Jährige mit ihrem Mann ein, zwei Partien. Am Frühstückstisch! Fast immer gewinnt sie ("Zu 99 Prozent.") und widerlegt damit die These, wonach Schach nur dann als familienfreundliches Spiel gilt, wenn der Vater besser spielt als der Sohn.
Oder der Mann besser als die Frau.
"Das genialste Spiel der Welt"
Dabei hatte sie es von ihm erst erlernt. Und das auch erst vor sechs Jahren. Sie hatte ihm zum Geburtstag ein schön geschnitztes Schachbrett geschenkt und im Gegenzug gebeten: "Dafür bringst du mir die Regeln bei." Dann hatte sie ein Jahr lang nur verloren, "ehe sich das Blatt wendete". Seitdem lässt das "genialste Spiel der Welt" sie nicht mehr los.
Helena Schwaab ist reine Praktikerin. Zwar löst sie regelmäßig die Schachaufgaben in der TA und hat vor Jahren einmal in einem Freizeitklub in Gotha-West ein paar Partien gespielt, doch ansonsten sind die Namen der Schach-Welt für sie Schall und Rauch.
Theorie? Sie schüttelt lachend den Kopf. Okay, "Schach für Anfänger", das Lehrbuch mit dem Abc des Spiels, hat sie sich gekauft, weil es einmal Streit um die Ausführung der Rochade gab. Angetan war sie auch von den Chessbase-DVDs "Fritz und Fertig", die als Trickfilm-Geschichten für Kinder die Grundzüge des königlichen Spiels vermitteln. Die hat sie mit ihrer Tochter durchgearbeitet.
Doch dann verlor der Sprößling, der einst in einer privaten Grundschule in Emleben Schachunterricht hatte, die Lust. Inzwischen ist die Tochter 15 und auf dem Sprachgymnasium in Schnepfenthal. Die große Liebe zum Schach ist zu Hause bei der Mutter geblieben. Wenn Helena Schwaab erzählt, spricht sie schnell und pointiert. So spielt sie auch Schach. "Ich denke schnell, ich ziehe schnell, alles über zwei Minuten ist langweilig", sagt sie. Sie mag auch nicht gegen Computer spielen: "Mich interessieren die Menschen, der Computer macht ja keine Fehler."
Klischee vom Schachfanatiker
So wenig Helena Schwaab in ihrer Unbekümmertheit auch dem Klischee des grübelnden Schachfanatikers entspricht, eine typische Doppel-Begabung vereint sie dann doch. Sie ist studierte Musikerin und ergänzt so das schachliche mit dem künstlerischen Talent, für das es in der Geschichte des Spiels nicht wenige Beispiele gibt.
Der Russe Mark Taimanow etwa. Der WM-Kandidat der frühen Siebziger war einer der größten Pianisten seiner Zeit. Oder Wassili Smyslow, der einstige Weltmeister. Ein ausgebildeter Opernsänger mit der Stimme eines lyrischen Baritons.
Helena Schwaab stammt aus Rostow am Don, seit 1995 lebt sie in Deutschland. In Russland hat sie Musik studiert, hier eine Ausbildung als Kirchenmusikerin gemacht. Inzwischen ist sie in Thüringen als Organistin unterwegs, tritt als Sängerin auf Hochzeiten oder Trauerfeiern auf und gibt Klavierunterricht. Zuj ihrem Repertoire gehören das Ave Maria und Halleluja.
Sie erinnert sich an früher. an die Zeit ihrer Kindheit. Damals hat sie an den Sommer-Sonntagen zu Hause in Rostow immer über die vielen Schachspieler gestaunt, die Zocker, die im Park über den Brettern brüteten, gestikulierten und endlos spielten. "Zu Hunderten", sagt sie.
Doch der Funke wollte da noch nicht überspringen. Als der Vater ihr das Spiel erklärte, mochte sie nicht. Kürzlich hatte er sie zum ersten Mal besucht, und dann spielten Vater und Tochter gegeneinander die erste Schachpartie ihres Lebens.
Helena Schwaab, die nebenbei auch noch Gedächtnistraining betreibt, Buchstaben und Zahlen in Bilder übersetzt, liebt solche Überraschungen, liebt das Neue. Das Turnier im Sommer, ihr erstes Schachturnier, wird eine Herausforderung, das weiß sie. An manchen Zügen wird sie dann länger als zwei Minuten grübeln müssen. Doch Angst hat sie nicht. "Wer aufhört zu lernen", sagt sie nur, "hört auf zu leben."
Halleluja.


Informationen zum Frauenschachfestival in Erfurt
Axel Eger / 14.03.14 / TA


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